„Ich bin eine von sehr vielen, gehöre zu einem geburtenstarken Jahrgang. In meiner Kindheit saß der Mann am Steuer. Papa bestimmte die Route des Familienschiffs und hatte das Ruder in der Hand, Mama ordnete sich unter, beziehungsweise drehte Papas Ruder mit Charme und Diplomatie in die von ihr gewünschte Richtung“, erzählt Michaela Seul. Als dann die ersten Anzeichen einer Demenz auftraten, war es, wie in vielen anderen Familien auch: „Lange wollte meine Mutter nicht wahrhaben, dass der Kapitän schwächelte, dass er vergesslich wurde. Denn das bedeutete, dass sie nun das Ruder in die Hand nehmen musste.“ Für die Autorin stand fest, „Mama muss erwachsen werden“. Die die nahm die Herausforderung an. Mit ein Grund, sich verstärkt auf die eigenen Hinterbeine zu stellen, war für Rosemarie Seul aus Gilching unter anderem eine Begegnung mit Marika Killius. „Ich hatte sie bei meiner Tochter in Unering kennengelernt, weil Michaela ein Buch über die Eiskunstläuferin geschrieben hat“, erzählt die heute 76Jährige. „Auf der Heimfahrt, Marika nahm mich mit ihrem Auto mit nach Gilching, ermunterte sie mich, mir nicht so viel vorschreiben zu lassen, sondern das Steuer selbst in die Hand zu nehmen.“
Was in Bezug auf das Autofahren gedacht war, „heute habe ich ein GPS und fahre überall dorthin, wohin ich will“, erwies sich auch als guter Tipp für den Alltag. Und was sagt der Ehemann dazu, der es ja gewohnt war, jahrzehntelang im Mittelpunkt zu stehen. „Es funktioniert ganz gut“, freut sich Rosemarie Seul. „Ich gehe jetzt auch ohne schlechtes Gewissen allein aus, sage ihm aber immer, wo ich bin und wann ich zurückkomme.“ Mit Genehmigung der Eltern hat Michaela aus deren Leben ein aufschlussreiches, stellenweise urkomisches aber auch tiefsinniges Buch, erschienen im Lübbe-Verlag, geschrieben. Erhältlich ist es zum Preis von 16 Euro im Buchhandel. Außerdem hat die „Leselust“ in Gilching eine Lesung mit Tochter und Mutter ins Frühjahrs-Programm mit aufgenommen. LeLe