Aus diesen Gründen ist es Landrat Thomas Karmasin wichtig, festzustellen, dass der Landkreis Fürstenfeldbruck lediglich das bundesweit geltende Jugendhilferecht vollzieht. In ganz Deutschland schreibt das Gesetz vor, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vorerst in die Obhut des Jugendamtes zu nehmen, weil in der Tatsache des „Unbegleitetseins“ eine Kindeswohlgefährdung im Sinne des § 8a des Achten Sozialgesetzbuches gesehen wird. Unbegleitet ist ein Minderjähriger dann, wenn der junge Mensch keine Eltern oder Verwandten bei sich hat, die für ihn sorgen können. Diese jungen Menschen werden in Obhut genommen, es wird ein Vormund bestellt, sie werden stationär in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht und in dieser sozialpädagogisch betreut. Die minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge werden folglich wie hier lebende Kinder behandelt, für die es keine geeignete elterliche Erziehung gibt.
Die grundsätzliche Entscheidung, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dem Recht der Jugendhilfe mit allen ihren – nicht nur, aber natürlich auch – finanziellen Folgen zu unterwerfen, hat der Bundesgesetzgeber getroffen. In Bayern sind neben den kreisfreien Gemeinden die Landkreise für den Vollzug des Jugendhilferechts zuständig. Sie vollziehen und leisten, bekommen allerdings das Geld vom Bezirk wieder erstattet. Entsprechend dem Achten Sozialgesetzbuch gibt es verschiedene Formen der Jugendhilfe. Das zuständige Jugendamt hat die jeweils bedarfsgerechte Maßnahme anzubieten. Je nach dieser ist die passende Form der Unterbringung auszuwählen. Die Angebote der Unterbringung reichen von sehr niederschwelligen Maßnahmen bis hin zu einer 1:1 Betreuung. Eine sogenannte intensive pädagogische Einzelbetreuung, also eine 1:1 Betreuung, wurde in keinem Fall gewährt. Im Landkreis Fürstenfeldbruck wurde nur in sehr seltenen Fällen – bei einer seelischer Behinderung oder massiven Auffälligkeiten im Sozialverhalten etwa – eine stärkere Betreuung notwendig.
Die durchschnittlichen Kosten einer Unterbringung in einer stationären Einrichtung betragen im Landkreis Fürstenfeldbruck im Monat 5.255 €. Diese setzen sich aus Kosten für die pädagogische Versorgung, für den sog. Sachaufwand – Lebensmittel, Versicherungen etc. – und für den Investitionsaufwand für die eigentliche Unterbringung – dies ist der sog. „Tagessatz“ und Kosten für Taschengeld, Fahrten und Krankenkosten zusammen. Die Aufwendungen bzw. Tagessätze bewegen sich somit auf nahezu identischem Niveau der „normalen“ Jugendhilfe. Entsprechend der Evaluation kostet ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling den Landkreis bei einer durchschnittlichen Verweildauer von 28 Monaten im Durchschnitt 148.284 €.
Um aufzuzeigen, dass die Kosten der Jugendhilfe bundesweit vergleichbar sind, erklärte sich das baden-württembergische Landratsamt Konstanz bereit, Zahlen und Fakten aus seiner Zuständigkeit bereitzustellen. Die Kosten für die Unterbringung in einer stationären Einrichtung reichen dort von 3.721 € bis 5.211 €, im Durchschnitt folglich 4.255 €. Nach einer durchschnittlichen Verweildauer von 22 Monaten einstanden dem Landkreis Konstanz Kosten im Durchschnitt von 77.410 €, wobei insgesamt seit Oktober 2014 250 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge längerfristig untergebracht wurden. Landrat Thomas Karmasin hierzu: „Es ist mir ein starkes Anliegen zu betonen, dass die aufgezeigten Kosten keinen Fürstenfeldbrucker Sonderweg darstellen, sondern dass bundesweit vergleichbare Ausgaben für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, ob mit oder ohne Bleibeperspektive, entstanden sind oder noch entstehen. Dass die extrem teuren Jugendhilfeeinrichtungen in Anspruch genommen werden müssen, weil es ein auf junge Zuwanderer zugeschnittenes Angebot nicht gibt, habe ich schon oft, auch auf Bundesebene, kritisiert, aber bislang ohne Erfolg.“